Der letzte Ton verklingt und auf der Bühne wird es dunkel. Sekunden später ertönen Bravo-Rufe und alle 600 Menschen im Publikum stehen auf, um die Premiere von Verdis „Don Carlo“ am Pfalztheater über 15 Minuten lang mit stehenden Ovationen und Applaus zu bejubeln. Sie applaudieren für eine fantastische Inszenierung mit grandiosen Stimmen und einer fabelhaften Darbietung der Pfalzphilharmonie.
Die Handlung: Der spanische Infant Don Carlos (Kazuki Yoshida) liebt Elisabeth von Valois (Arminia Friebe), die Frau seines Vaters Konstantin Gorny). Mit der Ehe zwischen dem spanischen König Philipp II. und der jungen französischen Prinzessin wurde der Frieden zwischen Spanien und Frankreich besiegelt. In seiner Verzweiflung vertraut sich Carlos seinem Freund Rodrigo (Hyunkyum Kim), dem Marquis von Posa, an. Dieser rät ihm, den Hof zu verlassen und nach Flandern zu gehen, um sich dort für die Freiheit der von den spanischen Besatzern unterdrückten Bevölkerung einzusetzen. Carlos wird zum Rebellen gegen seinen Vater, den König, der in seinem politischen Handeln jedoch auch nur eine Marionette der Kirche ist…
Es gibt eine Vielzahl von Fassungen dieser Oper. Das Pfalztheater spielt die italienische fünfaktige Version, die Verdi 1886 für Modena erstellte, mit dem wiederhergestellten ersten Akt, der das Kennenlernen von Carlos und Elisabeth als Ausgangspunkt des Dramas gezeigt. Und was mit der angegebenen Spielzeit von 255 Minuten lang erscheint, ist inklusive zweier Pausen ein so spannendes Gesamtwerk, das die Zeit vergessen lässt. Emotional fesselnd nimmt Regisseur Hendrik Müller von der ersten Sekunde an das Publikum mit auf die Reise in ein düsteres Stück, einem politischen Stück inklusive Liebesdrama, Vater-Sohn-Konflikt, dem Ruf nach Freiheit, aber auch der gnadenlosen Inquisition.
Gesanglich bietet das Pfalztheater höchstes Niveau auf. Da ist Konstantin Gorny, der in fast allen großen Opernhäuser dieser Welt gesungen hat, darunter Sydney, Rom, Tokyo, Marseille, Wien und Verona (um nur wenige zu nennen). Er ist der unerbittliche Tyrann, der nie die Liebe seiner Frau erlangt und durch Zwänge und seine Eifersucht ein schwacher König ist. Ebenfalls Gast am Pfalztheater ist Kazuki Yoshida, der mit seinem Deutschland-Debüt emotional mitreißend den rebellischen Don Carlo spielt, der aufbegehrt, aber letztendlich der Unentschlossene bleibt. Hyunkyum Kim als Marquis von Posa und Dorothea Spilger als Prinzessin Eboli machen mit ihren Stimmen die Rollen zu weiteren Glanznummern an diesem Abend. Erschaudernd gibt Tuncay Kurtoğlu den Großinquisor.
Als wahre Genussmomente erwiesen sich zwei neue Ensemblemitglieder des Pfalztheaters: Die Sopranistin Arminia Friebe ist eine brillante Königin Elisabeth. Arkadiusz Jakus, der schon in anderen Produktionen mit seiner sonoren Stimme beeindruckte, beschert dem Publikum mit dem geheimnisvollen Mönch ergreifende Momente. Toll, solch gewaltige Stimmen fest am Haus zu haben. Da darf sich das Publikum noch auf viele weitere brillante Rollen freuen.
Das Bühnenbild (Thomas Dörfler), das vom Wald, den Palastmauern bis hin zum Gefängnis den beeindruckenden Rahmen bietet, und die Kostüme (Katharina Weissenborn), zum Teil so prächtig wie nie am Pfalztheater, tragen ein Übriges zu diesem gelungenen Gesamtwerk mit Gänsehauteffekten bei. Großartig sind der glänzende Chor und Extrachor unter der Leitung von Aymeric Catalano, die – wie immer – nicht nur gesanglich, sondern auch darstellend lebendig agieren.
Generalmusikdirektor Daniele Squeo ist Spezialist für italienische Opern, aber es ist auch seine erkennbare Leidenschaft, mit der er sein Orchester zur Höchstleistung antreibt. Ein Hörgenuss! Unter der einfühlsamen und berührenden Regie von Hendrik Müller ist aus einer der düstersten Opern ein packendes Musiktheater entstanden, mit dem sich das Pfalztheater hinter keinem großen Haus dieser Welt verstecken muss, denn entgegen den Buhrufen in New York oder zuletzt an der Mailänder Scala mit großen Stars zeigt die Inszenierung in Kaiserslautern, dass diese Oper wahre Begeisterungsstürme beim Publikum hervorrufen kann.
Also auf ins Pfalztheater! Karten gibt es hier
Fotos vom Stück: Pfalztheater/Etter | Fotos Schlussapplaus: Petra Rödler